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Dienstag, 30. Mai 2023
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Martin Ruggle befindet sich zurzeit mit seinem Velo auf Weltreise («Mit Unbekannten die Nacht ohne Strom im Nirgendwo verbracht», WN vom 7. Juli). In der Nacht des türkischen Putschversuches war er in Istanbul. Im Interview erzählt er von den traumatischen Erlebnissen.
Wil/IstanbulHerr Martin Ruggle, Sie waren zum Zeitpunkt des Militärputschversuchs in der Türkei. Was hat sich genau abgespielt?
Ich verbrachte den Abend mit Radreisenden aus England. Nach der Verabschiedung bin ich zurück zum Hostel gelaufen, wobei mir aufgefallen ist, dass zahlreiche Leute vor dem Fernseher standen und alle ziemlich aufgebracht waren. Die meisten haben zudem auch hysterische Telefonate geführt. Da ich kein Türkisch kann, konnte ich jedoch nicht rausfinden, was passiert ist. Beim Hostel angekommen, habe ich es mir in der Aussenbar gemütlich gemacht, da ich noch das Schiff nach Bursa am nächsten Tag buchen wollte. Das Hostel liegt in einem Live-Musik Viertel und daher dröhnt von überall her Musik. Nach und nach stellte diese jedoch ab bis es schlussendlich ganz still war. Da wusste ich, dass etwas Grösseres im Gange sein muss. Kurz darauf kam der Rezeptionist nach draussen gerannt und befahl mir so schnell wie möglich ins Zimmer zu gehen, da es nicht mehr sicher sei. Direkt hinter mir schloss er dann die Türe zu. Ab diesem Zeitpunkt wurde es mir dann schon ein bisschen mulmig zu Mute, jedoch spielte sich alles auch ein bisschen wie im Traum ab. So schnell wie möglich habe ich noch meiner Mutter per WhatsApp geschrieben, dass alles okay ist und ich schon wieder irgendwie hier raus kommen werde.
Was geschah dann?
Ich sass mit circa fünf anderen Reisenden im Dormitory und mit jeder Minute verschlechterte sich die Situation draussen. Nachdem Erdogan der Bevölkerung befohlen hat, auf die Strassen zu gehen, erklang der Aufruf aus sämtlichen Moscheen. Danach hörte ich die Menschen und kurz darauf auch die ersten Schüsse. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, ob es gut kommen wird oder das Ganze in einem Bürgerkrieg enden wird. Zu den Schüssen kamen dann auch noch Helikopter und Kampfjets dazu, während ich in den Newsportalen lesen konnte, dass es sich dabei um von Putschisten gekaperte Maschinen handelt. Die Angst, dass eine solche genau auf mein Hostel abstürzen könnte, war natürlich da. Gegen 3:30 Uhr wurde es ruhiger und ich döste etwas vor mich hin, bis mich eine extrem laute Explosion in unmittelbarer Nähe zusammenzucken liess. Sämtliche Glasscheiben des Nachbargebäudes gingen zu Bruch. Es folgten noch weitere Explosionen, bevor es dann gegen 5 Uhr endgültig ruhig wurde.
Und dann ging es raus aus Istanbul?
Ja, nach den wenigen Stunden Schlaf bin ich dann mit dem Schiff aus Istanbul rausgefahren in das etwas sichere Bursa.
Wie haben Sie sich gefühlt?
Nach dem ersten Schrecken hat sich die Angst glücklicherweise schnell wieder gelegt. Man beginnt dann einfach zu funktionieren und denkt nicht genau darüber nach, was tatsächlich gerade passiert ist. Es ist irgendwie wie in einem schlechten Traum und man wartet darauf, wieder aufzuwachen.
Wie stark wurden Sie als Tourist in die Geschehnisse involviert?
Da ich von Anfang an in das Hostel gesperrt wurde, wurde ich als Tourist eigentlich kaum involviert. Auch das öffentliche Leben funktionierte tags darauf wieder einwandfrei, als wäre nichts gewesen.
Wie war die allgemeine Stimmung in der Türkei während der Instabilität?
Mit mir eingesperrt, war eine etwas ältere Türkin, welche mir dann mit Zeichensprache erklärt hat, dass sie sich darüber freut. Sie war aber auch die einzige, die so reagiert hatte. Alle anderen waren durchwegs gegen die Putschisten. Ansonsten hat natürlich viel Hysterie geherrscht und viel Chaos.
Und jetzt?
Von dem Putschversuch spüre ich zurzeit gar nichts mehr. Manchmal komme ich noch mit ein paar Einheimischen während eines kurzen Gesprächs auf dieses Thema zu sprechen, aber sonst läuft alles wieder wie früher und ich habe überhaupt keine Angst zu reisen.
Wo sind Sie im Moment?
Ich befinde mich zurzeit in Eskisehir in Westanatolien. Istanbul habe ich am Tag nach dem Putschversuch mit dem Boot verlassen und anschliessend unter freiem Himmel am Strand geschlafen.
Was hat Sie an dieser kurzen Erfahrung am stärksten verängstigt oder beeindruckt?
Am meisten beeindruckt hat mich Ömer. Er war mein Warmshower Host in den ersten beiden Tagen in Istanbul und mit ihm habe ich auch letzten Freitag verbracht. Er arbeitet für das türkische Nationalradio TRT, welches ebenfalls von den Putschisten gekapert worden war. Obwohl seine Zukunft absolut unklar war, war seine grösste Sorge mein Wohlbefinden. Per SMS hat er mir Tipps gegeben und meine Weiterreise organisiert. Dass er in so einem Moment nicht für sich selbst geschaut hat, hat mich sehr beeindruckt. Ansonsten natürlich auch, wie schnell die Türken das öffentliche Lben wieder in Schwung gebracht haben. Bis auf ein paar Glasscherben war nichts mehr von der Nacht zu sehen.
Pascal Scheiwiler
Martin Ruggle befindet sich zurzeit mit seinem Velo auf Weltreise («Mit Unbekannten die Nacht ohne Strom im Nirgendwo verbracht», WN vom 7. Juli). In der Nacht des türkischen Putschversuches war er in Istanbul. Im Interview erzählt er von den traumatischen Erlebnissen.
Wil/IstanbulHerr Martin Ruggle, Sie waren zum Zeitpunkt des Militärputschversuchs in der Türkei. Was hat sich genau abgespielt?
Ich verbrachte den Abend mit Radreisenden aus England. Nach der Verabschiedung bin ich zurück zum Hostel gelaufen, wobei mir aufgefallen ist, dass zahlreiche Leute vor dem Fernseher standen und alle ziemlich aufgebracht waren. Die meisten haben zudem auch hysterische Telefonate geführt. Da ich kein Türkisch kann, konnte ich jedoch nicht rausfinden, was passiert ist. Beim Hostel angekommen, habe ich es mir in der Aussenbar gemütlich gemacht, da ich noch das Schiff nach Bursa am nächsten Tag buchen wollte. Das Hostel liegt in einem Live-Musik Viertel und daher dröhnt von überall her Musik. Nach und nach stellte diese jedoch ab bis es schlussendlich ganz still war. Da wusste ich, dass etwas Grösseres im Gange sein muss. Kurz darauf kam der Rezeptionist nach draussen gerannt und befahl mir so schnell wie möglich ins Zimmer zu gehen, da es nicht mehr sicher sei. Direkt hinter mir schloss er dann die Türe zu. Ab diesem Zeitpunkt wurde es mir dann schon ein bisschen mulmig zu Mute, jedoch spielte sich alles auch ein bisschen wie im Traum ab. So schnell wie möglich habe ich noch meiner Mutter per WhatsApp geschrieben, dass alles okay ist und ich schon wieder irgendwie hier raus kommen werde.
Was geschah dann?
Ich sass mit circa fünf anderen Reisenden im Dormitory und mit jeder Minute verschlechterte sich die Situation draussen. Nachdem Erdogan der Bevölkerung befohlen hat, auf die Strassen zu gehen, erklang der Aufruf aus sämtlichen Moscheen. Danach hörte ich die Menschen und kurz darauf auch die ersten Schüsse. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, ob es gut kommen wird oder das Ganze in einem Bürgerkrieg enden wird. Zu den Schüssen kamen dann auch noch Helikopter und Kampfjets dazu, während ich in den Newsportalen lesen konnte, dass es sich dabei um von Putschisten gekaperte Maschinen handelt. Die Angst, dass eine solche genau auf mein Hostel abstürzen könnte, war natürlich da. Gegen 3:30 Uhr wurde es ruhiger und ich döste etwas vor mich hin, bis mich eine extrem laute Explosion in unmittelbarer Nähe zusammenzucken liess. Sämtliche Glasscheiben des Nachbargebäudes gingen zu Bruch. Es folgten noch weitere Explosionen, bevor es dann gegen 5 Uhr endgültig ruhig wurde.
Und dann ging es raus aus Istanbul?
Ja, nach den wenigen Stunden Schlaf bin ich dann mit dem Schiff aus Istanbul rausgefahren in das etwas sichere Bursa.
Wie haben Sie sich gefühlt?
Nach dem ersten Schrecken hat sich die Angst glücklicherweise schnell wieder gelegt. Man beginnt dann einfach zu funktionieren und denkt nicht genau darüber nach, was tatsächlich gerade passiert ist. Es ist irgendwie wie in einem schlechten Traum und man wartet darauf, wieder aufzuwachen.
Wie stark wurden Sie als Tourist in die Geschehnisse involviert?
Da ich von Anfang an in das Hostel gesperrt wurde, wurde ich als Tourist eigentlich kaum involviert. Auch das öffentliche Leben funktionierte tags darauf wieder einwandfrei, als wäre nichts gewesen.
Wie war die allgemeine Stimmung in der Türkei während der Instabilität?
Mit mir eingesperrt, war eine etwas ältere Türkin, welche mir dann mit Zeichensprache erklärt hat, dass sie sich darüber freut. Sie war aber auch die einzige, die so reagiert hatte. Alle anderen waren durchwegs gegen die Putschisten. Ansonsten hat natürlich viel Hysterie geherrscht und viel Chaos.
Und jetzt?
Von dem Putschversuch spüre ich zurzeit gar nichts mehr. Manchmal komme ich noch mit ein paar Einheimischen während eines kurzen Gesprächs auf dieses Thema zu sprechen, aber sonst läuft alles wieder wie früher und ich habe überhaupt keine Angst zu reisen.
Wo sind Sie im Moment?
Ich befinde mich zurzeit in Eskisehir in Westanatolien. Istanbul habe ich am Tag nach dem Putschversuch mit dem Boot verlassen und anschliessend unter freiem Himmel am Strand geschlafen.
Was hat Sie an dieser kurzen Erfahrung am stärksten verängstigt oder beeindruckt?
Am meisten beeindruckt hat mich Ömer. Er war mein Warmshower Host in den ersten beiden Tagen in Istanbul und mit ihm habe ich auch letzten Freitag verbracht. Er arbeitet für das türkische Nationalradio TRT, welches ebenfalls von den Putschisten gekapert worden war. Obwohl seine Zukunft absolut unklar war, war seine grösste Sorge mein Wohlbefinden. Per SMS hat er mir Tipps gegeben und meine Weiterreise organisiert. Dass er in so einem Moment nicht für sich selbst geschaut hat, hat mich sehr beeindruckt. Ansonsten natürlich auch, wie schnell die Türken das öffentliche Lben wieder in Schwung gebracht haben. Bis auf ein paar Glasscherben war nichts mehr von der Nacht zu sehen.
Pascal Scheiwiler
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