Philipp Gattermann
kombiniert Schreinerei mit seiner Leidenschaft für den Naturschutz.
Weil ihm auf dem Markt keines gut genug war, baute Simon Keller vor rund zehn Jahren sein erstes Alpensax. Heute werkelt er mit Christian Scherrer im Duo. Die beiden erzählen, wie es ihre Alphörner und Alpensax von Rickenbach bis in die USA schaffen.
Wil Im alten Fabrikgebäude an der Mühlestrasse 14 in Rickenbach stapeln sich lange Holzbretter. Der Jonschwiler Christian Scherrer hebt eines davon ein Stück an und dreht es leicht zur Seite. «Mit der Auswahl des richtigen Holzes steht und fällt unsere ganze Arbeit», erklärt er. «Bereits feinste Risse machen das Instrument am Ende unbrauchbar.» Damit dies nicht passiert, überprüft der gelernte Möbelschreiner sorgfältig jedes Holzstück, bevor es von ihm und seinem Arbeitskollegen Simon Keller weiterverarbeitet wird. Die enge Zusammenarbeit der beiden besteht erst seit dem vergangenen September. Vorhin arbeitete der 49-jährige Simon Keller in seiner Werkstatt in Bischofszell – dort, wo alles anfing.
Der passionierte Alphornspieler schaute sich vor rund zehn Jahren nach einem Alpensax um. Mit dem Kompaktalphorn wollte er agiler musizieren können und während des Spielens nicht an Ort und Stelle gebunden sein. Doch: «Es gab kein Alpensax auf dem Markt, welches meinen Ansprüchen bezüglich Qualität und Stimmbarkeit genügte», erinnert sich Keller. Als dann einer seiner Freunde vor dem gleichen Problem stand, fackelte der 49-Jährige nicht lange: «Da habe ich das Instrument einfach selbst gebaut.» Der Begriff «einfach» beschreibt allerdings nicht unbedingt die unzähligen handwerklichen Schritte, die es vom rohen Holzbrett bis zum spielbaren Instrument benötigt. «Schon gar nicht, wenn man jedes Detail möglichst perfektionieren möchte», fügt Christian Scherrer an.
Der 42-jährige Scherrer ist für die Vorproduktion zuständig. Er sägt die Bretter in Form und programmiert die Holzfräse, welche die Rohlinge in die verschiedenen Instrumententeile fräst. Die gefrästen Hälften müssen dann mit einem passenden Gegenstück verleimt werden. Die Herausforderung dabei sei, dass die Holzteile jeweils den gleichen Klang haben, erklärt Christian Scherrer. Dafür reihe er die ausgefrästen Teile nebeneinander auf und klopfe wie bei einem Xylofon drauf. «Die Teile mit einem ähnlichen Klang sehen meist in der Farbe und der Maserung sehr ähnlich aus», weiss der 42-Jährige. Tatsächlich ist bei den meisten Rohren und Bechern kaum zu erkennen, dass sie ursprünglich aus zwei Teilen zusammengesetzt wurden – spätestens nach getaner Feinarbeit von Simon Keller. Der gelernte Polymechaniker gibt den Stücken den letzten Schliff und sorgt dafür, dass alle Teile minutiös genau ineinanderpassen. Zuletzt werden die Oberflächen der Instrumente geölt oder lackiert.
Für den Bau eines Alphorns rechnen die beiden Handwerker bis zu 30, für den eines Alpensax bis zu 60 Stunden Arbeit. «Normalerweise haben wir einige Instrumente an Lager, aktuell ist das allerdings nicht möglich», verrät Christian Scherrer. Der Grund dafür sei der grosse Ansturm auf die Instrumente. «Alphorn ist schon lange kein Instrument mehr, das nur das ‹ Puurli› auf der Alp spielt», betont der Jonschwiler. Im Gegenteil: Die Nachfrage steige von Jahr zu Jahr an. «Vor allem unter Jugendlichen gewinnt das Instrument immer mehr Beliebtheit», freut sich auch Simon Keller. Dies habe er insbesondere bei dem Besuch verschiedener Verkaufsmessen wahrgenommen und mache sich auch im eigenen Geschäft bemerkbar. Scherrer und Keller haben nicht nur Kundschaft in der Schweiz, sondern verkaufen auch nach Deutschland, Schottland, Indonesien und in die USA. Die beiden sind sich sicher: Ihr Erfolg kommt nicht von Ungefähr.
«Unsere Instrumente sind nicht nur top in Qualität und Klang, sie sehen auch modern aus», zählt Christian Scherrer auf. Und Simon Keller fügt stolz an: «Zudem haben wir
etwas entwickelt, das in der Branche bisher einzigartig ist.» Die Rede ist von den Metallverschlüssen, welche die Rohre und den Becher des Alphorns verbinden. Traditionellerweise sind die einzelnen Teile zusammengesteckt. «Bei Temperaturschwankungen kann dies sehr mühsam sein», so Scherrer. Aus der Zeit, in der er selbst Alphorn spielte, weiss er: «Da das Metall bei Temperaturschwankungen arbeitet, haben die Teile oft geklemmt oder waren zu locker. Grösstmögliche Stabilität und Langlebigkeit sind wichtige Punkte bei einem solchen Instrument.» Dies haben die beiden mit einer Kombination aus Steck- und Schraubverschluss gelöst. Eine Besonderheit, die es gemäss Keller so auf dem Markt bisher noch nicht gibt. Patentiert haben die beiden ihre Idee allerdings nicht. Eine solche Idee zu schützen, sei fast nicht möglich, sagt er. «So etwas nachzumachen ist allerdings auch fast unmöglich», fügt sein Arbeitskollege an. Nicht nur wegen der technischen Anforderungen, sondern auch wegen der Branche. «Erfahrene Musiker, aber auch Beginner sind sehr kritische Käufer. Bis man im Markt als namhafter Hersteller einen Platz findet, braucht es top Instrumente aber auch viel Fleiss und Ehrgeiz», weiss er aus Erfahrung. Ihre Instrumente werden bereits von vielen Kennern gespielt. Ihr Ziel sei es nun, die Rickenbacher Alphornmanufaktur in breiteren Kreisen bekannt zu machen.
Von Linda Bachmann
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