Susanne Hartmann
informierte über die neusten
Entwicklungen im Projekt Wil West.
Oft ist von einer Abwanderung aus den Gesundheitsberufen die Rede. Die frühere Inhaberin der Wiler St.-Peter-Floristik, Jeannette Huber, hat sich durch Meldungen von Stress und hoher Arbeitsbelastung nicht abschrecken lassen und den umgekehrten Weg eingeschlagen.
Wil Ausgerechnet in die Zeit der Coronapandemie fiel der berufliche Quereinstieg von Jeannette Huber. Sie hat sich dadurch nicht von ihrem Plan abbringen lassen und einen Neuanfang in einem völlig fremden Umfeld gewagt. Diesen Schritt hat sie bis heute keine Sekunde bereut.
Jeannette Huber, Sie waren viele Jahre mit Ihrem Floristikgeschäft erfolgreich. Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Zelte abzubrechen und Ihre Weichen neu zu stellen?
Die Arbeit in meinem Geschäft hat mir immer sehr gefallen. Dennoch hat es mich gereizt, mich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln und herauszufordern. Irgendwie war es wohl eine Mischung aus Neugier und Ehrgeiz, die mich dazu brachte, mir selbst zu beweisen, dass ich die Challenge meistere und etwas völlig Neues erreichen kann.
Ihre berufliche Neuausrichtung fiel zeitlich praktisch mit dem Ausbruch der Coronapandemie zusammen. War dies für Sie eine besondere Herausforderung?
In der Tat. An den Umstand, dass ich keine Schule vor Ort besuchen konnte und der Unterricht stattdessen im virtuellen Raum des Computers stattfand, musste ich mich zuerst gewöhnen.
Während der Pandemie wurde dem Gesundheitswesen und der Pflegebranche von der Bevölkerung viel Wertschätzung entgegengebracht. Wie viel davon ist aus Ihrer Sicht übrig geblieben?
Zumindest in meinem Bereich habe ich keine Veränderung feststellen können. Wie dies in klassischen Pflegeberufen aussieht, kann ich jedoch nicht beurteilen.
Seit geraumer Zeit klagt das Gesundheitswesen über Personalnot und man hört von einer starken Abwanderung. Wie sieht die Situation in Ihrem unmittelbaren beruflichen Umfeld aus?
Die Fluktuation mag zwar hoch sein, das stimmt. Aber bei uns und in den mir nahestehenden Abteilungen lassen sich, soweit ich weiss, die Abgänge immer problemlos ersetzen. Eine Personalnot kann ich so also nicht bestätigen.
Sie haben selbst den umgekehrten Weg angetreten und sind quasi zum Gesundheitswesen zugewandert. Was gefällt Ihnen in Ihrer neuen Aufgabe besonders?
Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl, sich daran zu beteiligen, wenn Menschenleben gerettet werden. Irgendwie kann man es nur schwer in Worte fassen. Das Arbeiten im Team, Hand in Hand, unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel ist spannend und anspruchsvoll zugleich. Es macht mir Freude, Menschen zu helfen und gebraucht zu werden.
Nicht zuletzt aufgrund der hohen Fluktuation klagen viele Pflegekräfte über eine gestiegene Arbeitsbelastung. Wie gehen Sie persönlich mit dem Druck um?
Früher dauerten meine Arbeitstage 14 bis 18 Stunden, und dies an sieben Tage die Woche. Solche Pensen sind für viele Selbstständigerwerbende nichts Ungewöhnliches. Heute arbeite ich zwar insgesamt weniger. Was jedoch belastend wirkt, sind die Schichteinsätze. Der Betrieb in unserer Abteilung muss ohne Unterbruch an sieben Tagen die Woche über 24 Stunden sichergestellt sein.
Worin finden Sie einen Ausgleich zum Berufsalltag?
Bewegung in der Natur bringt mir sehr viel Erholung. Bei einer Wanderung kann ich besonders gut abschalten. Ausserdem koche ich leidenschaftlich gerne, verbringe meine Freizeit mit einem guten Buch oder höre Musik.
Gab es schon Momente, in denen Sie Ihren Schritt bereut haben?
Nein, nicht im Geringsten. Ich kann jeder Situation etwas Positives abgewinnen. Man hat nie ausgelernt und alles, was ich mir neu aneigne, bereichert mein Leben. Ausserdem hat man ja die Möglichkeit, Situationen zu verändern, wenn man damit nicht zufrieden sein sollte. Jeder ist selbst der Schmied seines Glücks und es liegt auch in der Eigenverantwortung eines jeden, ein Umfeld zu schaffen, das glücklich macht.
Bei Ihrer Arbeit werden Sie nicht selten mit Schicksalsschlägen konfrontiert. Gelingt es Ihnen immer, sich emotional abzugrenzen, und was hilft Ihnen dabei?
In unserem Operationssaal geht es sehr oft um Leben oder Tod. Meist sind operative Eingriffe nötig, die folgenschwer sein können. Auch wenn wir alle unser Bestes geben, haben wir das Schicksal nie selbst in der Hand. Ich kann mich glücklicherweise sehr gut abgrenzen. Wenn mich einmal etwas zu stark belastet, suche ich das Gespräch in meinem Umfeld. Besonders mein Partner gibt mir viel Halt und hat immer ein offenes Ohr für mich.
Welchen Rat würden Sie jemandem mit auf den Weg geben, der wie Sie in die Pflegebranche einsteigen möchte?
Ich kann es natürlich nur aus meiner persönlichen Warte betrachten, aber ich würde jedem empfehlen, wie ich einen Einstieg in eine Abteilung zu wählen, in der Arbeit in einem interprofessionellen Team möglich ist. Ich finde, gerade da können sich Quereinsteiger besonders gut einbringen.
Eine Frage zum Schluss: Welche Rolle spielen Blumen und Floristik in Ihrem heutigen Leben?
Im Gegensatz zu meinem Wachleben spielen Blumen in vielen meiner Träume eine zentrale Rolle. Wenn ich ausserdem an Blumen und meinen früheren Beruf denke, bin ich zuerst einmal extrem dankbar. Die Zusammenarbeit mit meiner Mutter, die Arbeit mit den Lernenden und die Begegnungen mit der Kundschaft haben mir über viele Jahre sehr viel gegeben. Mein heutiger Beruf hat dagegen viele andere wertvolle Aspekte, die mich erfüllen. Meine Aufgabe ist ausgesprochen sinnstiftend.
Wiesy Imhof
Jeannette Huber ist in Wil keine Unbekannte. Unter anderem wurden sie und ihr Partner Adi 2017 zum Prinzenpaar gewählt. Mit der Stadt Wil hatte sie auch beruflich über lange Zeit eine feste Verbindung. Während 13 Jahren führte sie in Wil ihr eigenes Floristikgeschäft St.Peter an der gleichnamigen Strasse. 2019 hat sie sich dazu entschlossen, beruflich noch einmal einen völlig neuen Weg einzuschlagen. Ihre dreijährige Ausbildung zur Fachperson Operationstechnik höhere Fachschule (FPOTHF) hat sie mit Erfolg abgeschlossen und ist aktuell in dieser Funktion im Notfall-Operationssaal des Universitätsspitals in Zürich tätig.
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