Thurbobräu Folge 1: Die Ernte

WilMarcel Rickenmann, weshalb bauen Sie Braugerste an?

Nach der 1200-Jahre-Feier der Stadt Wil wurde beschlossen, die Wiler Bierbrautradition wieder zum Leben zu erwecken. Da brauchte es natürlich Landwirte, welche Braugerste anbauen. Ich wollte zu dem regionalen Produkt, welches vielen Leuten Freude bereitet, meinen Beitrag leisten.

Wie sieht der Alltag eines Braugersten-Landwirts aus?

Der Anbau von Braugerste ist nur ein kleiner Teil meiner Arbeit. Wir bauen weitere Getreidesorten an und haben unter anderem Milchkühe. Die Zeit, die ich für die Pflege der Braugerste aufwende, beläuft sich ungefähr auf eine Woche pro Ernte. Vor ein paar Tagen haben Sie die Sommergerste geerntet.

Wie erkennt man, dass diese reif ist?

Die Gerste muss gelb und die Ähre geknickt sein. Dazu sollte der Wassergehalt des Korns um die 14,5 Prozent betragen. Dies kann an der Härte des Korns gemessen werden. Um diese zu testen, beisse ich jeweils auf das Korn. Ist der Wassergehalt zu hoch, ist die Gerste nicht lagerfähig und muss nachgetrocknet werden. Ist er zu tief, mache ich weniger Gewinn, da das Getreide so um einiges weniger Gewicht auf die Waage bringt.

Wie läuft der Ernteprozess ab?

Wenn die Gerste reif ist, kann sie bei trockenem Wetter geerntet werden. Dazu muss ich einen Drescherfahrer engagieren, die in verschiedenen Regionen für die Ernte von Getreide im Einsatz ist. Man müsste eine sehr grosse Menge an Gerste säen, damit sich die Anschaffung eines Dreschers auszahlen würde. Die gedroschene Braugerste wird dann zu einer Sammelstelle gebracht.

Dort wird sie je nach Wassergehalt noch nachgetrocknet und dann gelagert. Wie viel Gerste wurde diesen Sommer geerntet? Und wie viel davon geht an Thurbobräu?

Normalerweise ernte ich zwischen fünf und sechs Tonnen Gerste. Diesen Sommer war es knapp die Hälfte. Auch beim Weizen gab es grosse Ernteeinbussen. Aufgrund des extremen Wetters hat zudem die Qualität des Gerstenkorns gelitten – der Eiweissgehalt, der normalerweise bei ungefähr 10,5 Prozent liegt,
war mit 13,6 Prozent deutlich zu hoch. Ein zu hoher Eiweissgehalt hat zur Folge, dass das Bier übermässig schäumt. Die diesjährige Ernte wird deshalb nicht verarbeitet. Für
solche Fälle lagert die Brauerei
jeweils Reserven aus den vorherigen Jahren. So kann das Thurbobräu trotz der Missernte gebraut werden. Normalerweise liefere ich die gesamte Ernte an Thurbobräu.

Was wird nun aus der geernteten Braugerste, wenn sie zum Brauen eine zu geringe Qualität hat?

Eine solche Missernte ist natürlich ärgerlich, für mich persönlich aber kein grosser Verlust: Ich verwende die Braugerste als Kuhfutter. So entsteht für mich eine knappe Nullrunde.

Was ist besonders an der Wiler Braugerste?

Natürlich der Herkunftsort des Getreides – es wächst auf Wiler Boden. Dazu kommt, dass es sich bei der Braugerste um Sommergerste handelt. Diese wird im Frühling ausgesät und im Juli geerntet. Welchen Einfluss hat das aktuelle Klima auf die Gerste? Wetterextreme haben einen negativen Einfluss auf Qualität und Quantität der Ernte. Die Wassermenge ist entscheidend für die Entwicklung des Korns. Bei
anhaltenden Regenperioden im Frühling ist die Aussaat schwierig. Zu lange trockene Abschnitte trocknen das Getreide aus. Natürlich haben auch weitere Faktoren wie die Bodenbeschaffenheit Einfluss auf die Ernte.

Welches ist Ihr Lieblingsbier? Trinken Sie selbst gerne Thurbobräu?

Natürlich. Mein Lieblingsbier ist das dunkle Thurbobräu.

Immer in der letzten Ausgabe
des Monats berichten die «Wiler Nachrichten» über Thurbobräu. Nach der Ernte geht es in der nächsten Folge darum, woher Wasser, Malz und Hefe für das Bier kommen.

Linda Bachmann