Simon Keller
erklärt, worauf es beim Bauen von Alphörnern ankommt.
Der ehemalige Kirchengemeinderat Beat Krähemann und Vogelexperte Paul Engeler brachten elternlose Jungvögel in die Vogelauffangstation in Kreuzlingen, wie die WN am 20. Juni berichteten. Dort wurden die Küken von der diplomierten Tierpflegerin Fabia Kaufmann aufgepäppelt. Letzten Samstag waren alle drei in Wängi, um die sechs Jungvögel wieder auszuwildern.
Wängi Wohlgenährt, flaumlos und hibbelig waren die jungen Vögel Anfang Juli, bereit, die weite Welt zu entdecken. So kündigte Krähemann die Falkenauswilderung für letzten Samstag, 11 Uhr, an. Am Samstag gegen 10.30 Uhr trafen die sechs jungen Turmfalken dann auch schon in Wängi, nahe der Dammbühl-Sporthalle ein. Angeliefert wurden sie in Kartonboxen, die mit Löchern versehen wurden. «Das funktioniert gut. Sobald Vögel in der Dunkelheit sind, werden sie ganz ruhig. Da stören sie auch die sprechenden Leute um sie herum nicht», so Kaufmann. Den Platz hatte Krähemann gewählt, da er in den umliegenden Feldern häufig beobachtet hatte, wie der Vater der Jungvögel erfolgreich Beute gemacht hatte. «Ich hoffe, dass der Ort auch den Kleinen Glück bringt beim Beutegreifen, denn das ist nun etwas vom Schwierigsten, was auf sie zukommen wird», so Krähemann. Laut Kaufmann hatten die sechs jungen Falken in dem Monat in der Auffangstation nämlich Mäuse im Wert von über 2000 Franken verschlungen, was ziemlich deutlich aufzeigt, welch einen Appetit die Vögel haben.
Turmfalken haben in der Schweiz so gut wie keine Fressfeinde. Lediglich die Steinmarder, die sich an den Eiern oder den Küken vergreifen. Bei den ausgewachsenen Vögeln gibt es laut Engeler aber andere Risiken: «Das grösste Problem für die Jungvögel wird die Nahrungsversorgung darstellen. Sie sind sich gewöhnt, dass sie mit Nahrung im Übermass verwöhnt wurden. Ab jetzt müssen sie lernen zu jagen und sich selbst durchzubringen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sie das schnell lernen werden. Die jungen Turmfalken sind kräftig und konnten auf Anhieb gut fliegen. Es kann gut sein, dass sie jetzt für einen Moment in der Gruppe bleiben und sobald einer die Jagd erlernt hat, werden es auch die anderen schnell verstehen. Sie werden sich aber auch um gefundenes Futter streiten.» Weitere Gefahrenpunkte für die Jungvögel sieht der Vogelexperte im Strassenverkehr oder in Glasscheiben. Zudem können Krähen den Turmfalken ebenfalls gehörig zusetzen, da sie sehr schlau und territorial sind und alles verjagen, was sich in ihr Gebiet wagt, das kann den Jungvögeln einiges an Energie abverlangen.
In einem Punkt sind sich alle drei einig: Die Turmfalken sind keine Kuscheltiere. Sie wurden durch die Aufzuchthilfe nicht auf den Menschen geprägt und sind nach wie vor scheu. «Es ist gut, dass es gleich sechs Stück sind, so wurden sie gar nie zutraulich. Auch das Berühren mit den Händen ist bei Vögeln kein Problem, denn sie erkennen sich am Ton und nicht etwa wie bei Katzen am Geruch», erklärte Kaufmann. Dass sie dennoch nicht gerne angefasst werden, bewies auch der Moment, als der erste der erste Falken gegen 11 Uhr aus der Box genommen wurde und Engeler erst mal kräftig in den Finger zu zwicken versuchte.
Zunächst hielt Krähemann, der für die Auswilderung extra noch einen kleinen Apéro organisiert hatte, eine kurze Ansprache von der rund 60 Anwesenden, die durch seine Updates das Heranwachsen der Turmfalken von Anfang an mitbeobachten durften. Danach ging es auch schon ans Freilassen. Engeler holte den ersten Falken aus der Box und zeigte Krähemann, wie man diesen an den Füssen halten muss. «Das ist bei Greifvögeln enorm wichtig, denn da ist der Schnabel deutlich weniger gefährlich, die Beute greifen sie mit den Krallen an ihren Füssen. Bei den Turmfalken sind diese aber nicht ganz so ausgeprägt wie beispielsweise bei einem Adler oder Bussard», so Engeler. Nachdem Krähemann den Turmfalken den neugierigen Anwesenden zum Bestaunen in die Runde gehalten hatte, war es auch schon so weit und der erste Falke stieg problemlos in die Luft, flatterte erst einige Sekunden auf der Stelle und flog dann davon. So erfolgreich ging es auch gleich weiter: Alle sechs Falken konnten auf Anhieb fliegen. «Ich war wirklich überrascht, wie gut sie das gemeistert haben», staunte selbst Krähemann. Als kleine Starthilfe hatte er an einer gut erreichbaren Stelle noch einige Futtermäuse platziert.
Vor rund drei Wochen ist in Krähemanns selbst gebautem Nistkasten im Kirchturm in Wängi bereits ein neues Turmfalkenmännchen eingezogen. «Es ist unwahrscheinlich, dass es dieses Jahr nochmals eine Brut geben wird. Ich bin aber schon sehr gespannt, ob Otto bis nächstes Jahr im Falken Horst bleiben wird und bis zur nächsten Brutsaison ein Weibchen findet», so Krähemann über sein erfolgreiches Turmfalkenprojekt. Bis dahin habe er den Nistkasten bereits mit zwei weiteren Kameras ausgestattet und er plant, das Häuschen noch mit einem höheren Rand zu versehen, damit allfällige neue Küken nicht aus dem Nest fallen können.
Von Jasmin Schwager
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