Cristina Roduner
weiss, was man bei der Verwendung von KI beachten muss.
Ein bekanntes Problem im Herbst: die zusätzliche Belastung der Strassen im Thurgau durch Zuckerrübentransporte. Ab nächstem Jahr wird die Situation weiter verschärft, denn durch kantonale Sparmassnahmen soll nun auch noch der Bahntransport wegfallen.
Eschlikon Jeden Herbst tuckern täglich Dutzende landwirtschaftliche Fahrzeuge mit 40 km/h durch den Thurgau, beladen mit Rüben für die Zuckerfabrik in Frauenfeld. Die Erntezeit bedeutet Hochbetrieb für die Landwirte – aber auch Stress und Geduldsproben für andere Verkehrsteilnehmer. Godi Moser aus Eschlikon ist mit seinen 69 Jahren zwar pensioniert, fährt aber weiterhin regelmässig mit dem Schulbus: «Die Aufgabe gibt mir Struktur und ich arbeite gerne mit den Kindern.» Gerade weil ihm seine Passagiere so am Herzen liegen, bereitet ihm die aktuelle Situation auf den Strassen Sorgen: «Wenn 15 bis 20 Autos hinter einem Traktor fahren, verlieren viele die Nerven und setzen zu waghalsigen Überholmanövern an. Das gefährdet alle.»
Moser berichtet von haarsträubenden Situationen, in denen Autofahrer im Überholverbot die Geduld verloren und riskant überholten. «Einmal habe ich gesehen, wie ein Lastwagen einen Traktor überholte, kurz bevor eine unübersichtliche Kurve kam. Wäre ein anderes Fahrzeug entgegengekommen, hätte das in einer Katastrophe geendet.» Ein weiteres Mal habe er beobachtet, wie ein entnervter Pendler gleich drei Fahrzeuge überholte: «Das ist nicht nur gefährlich, sondern auch verboten.» Für Godi Moser ist der Schlüssel zu einer Lösung die gegenseitige Rücksichtnahme. «Ich wünsche mir, dass jeder ein bisschen mehr über sein eigenes Lenkrad hinausblicken würde», appelliert er. Als Schulbusfahrer trägt er eine besondere Verantwortung für seine jungen Fahrgäste und würde sich wünschen, dass alle Verkehrsteilnehmer achtsamer miteinander umgehen. «Wenn 15 bis 20 Autos hinter einem Traktor fahren, sollte der Fahrer rücksichtsvoll genug sein, gelegentlich rauszufahren. Gleichzeitig sollten Autofahrer keine unnötigen Risiken eingehen, nur um ein paar Minuten zu sparen.»
In Mosers Job wirkt sich der Rückstau auch auf seine Passagiere aus: «Pünktlichkeit ist für mich, die Eltern und die Schulen entscheidend – doch der Stau hinter landwirtschaftlichen Fahrzeugen macht das gerade zu Hauptverkehrszeiten oft unmöglich.» Dabei ist Moser keineswegs jemand, der Landwirten kritisch gegenübersteht. «Ich bin selbst der Sohn eines Gärtners und bin früher auch gerne Traktor gefahren. Aber manchmal fehlt es an Rücksicht – sowohl von den Traktorfahrern als auch von den Autofahrern.» Moser verweist auf eine gesetzliche Regelung, die vorschreibt, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge bei längeren Kolonnen Ausweichstellen nutzen müssen, und spricht von einem Beispiel in Luzern, wo ein junger Landwirt zu einer 520-Franken-Strafe gebüsst wurde, weil ihm eine Polizeipatrouille über mehrere Kilometer hinterherfahren musste. «Vielleicht wissen viele Fahrer gar nicht, dass es diese Regel gibt», rätselt der 69-Jährige.
Reto Beerli, Präsident der Zuckerrübenverladevereinigung Oberthurgau (ZRVOT), kennt die Probleme, die ihre Transporte für andere Verkehrsteilnehmer mit sich bringen. «Wir wissen, dass wir auf den Strassen stören. Aber wir haben keine andere Wahl», erklärt er. Die Landwirte beliefern die Zuckerfabrik täglich mit bis zu 2000 Tonnen Rüben. «Um diese Mengen bewältigen zu können, müssen wir die Transporte während der Anlieferungszeiten den ganzen Tag durchziehen – auch während der Hauptverkehrszeiten. Pausen oder Ausweichmanöver sind nicht immer möglich.» Beerli betont, dass viele Fahrer versuchen, Rücksicht zu nehmen und Ausweichstellen zu nutzen, doch es gebe Grenzen. «Manchmal gibt es schlicht keine geeignete Stelle, oder die Fahrer haben selbst enge Zeitpläne. Eine Schlange bildet sich schnell und da kann man auch nicht alle zehn Minuten rausfahren.» Gerade bei übersichtlichen Strassen, wo gut überholt werden könne, fahren die Transporter weniger oft zur Seite. «Kritisch wird es dann erst, wenn ein Autofahrer nicht überholt und diejenigen nach ihm zu riskanten Überholmanövern mehrerer Fahrzeuge ansetzen.»
Bis vor kurzem schien das Problem zumindest teilweise gelöst. 2011 wurde der Bahntransport für Zuckerrüben eingeführt, um stark befahrene Strassen zu entlasten. Doch mit der Streichung der kantonalen Beiträge für diesen Transport ab 2025 drohen auf den Strassen des Thurgaus bis zu 1000 zusätzliche Traktorfahrten jährlich, weiss Beerli. «Es ist enttäuschend», so der ZRVOT-Präsident, «eine Lösung, die den Verkehr entlastet hat, wird aus Spargründen wieder zurückgenommen. Ohne die Gelder des Kantons ist der Bahnverlad gestorben.» Für viele Landwirte, die freiwillig auf die Schiene setzten, sei der Wegfall ein Rückschlag und die Konsequenzen seien spürbar: «Die zusätzlichen Traktoren, die jetzt wieder auf die Strasse zurückkehren, werden den Verkehr erheblich belasten.» Reto Beerli hofft weiterhin auf eine Kehrtwende in der Politik. «Es wäre wichtig, dass der Kanton Verantwortung übernimmt und Lösungen wie den Bahnverlad oder den Ausbau landwirtschaftlicher Strassen fördert.»
jms
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